An dieser Stelle wollen wir Sie auf tagesaktuelle Nachrichten aus dem breiten Feld der Gendermedizin aufmerksam machen.

Patientengemäßer Bericht über die Veröffentlichung „Understanding differences between men and women with axial spondyloarthritis“ von Grace C. Wright, Jeffrey Kaine und Atul Deodhar, erschienen in Seminars in Arthritis and Rheumatism Band 50 (2020) S. 687–694

Als „axiale Spondyloarthritis“ werden die Spondylitis ankylosans  und ihre Vorstufe, die nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis  zusammengefasst. Früher dachte man, die Spondylitis ankylosans sei eine Männer-Krankheit, an der Frauen nur ganz selten erkranken. Heute weiß man, dass Frauen häufiger als Männer im Stadium der nicht-röntgenologischen axialen Spondyloarthritis verharren und dass die axiale Spondyloarthritis insgesamt bei Frauen und Männern etwa gleich häufig ist.
Den amerikanischen Wissenschaftlern Dr. Grace C. WRIGHT, Dr. Jeffrey KAINE und Prof. Dr. Atul DEODHAR (von dem wir schon mehrmals einen Beitrag in unserer Zeitschrift abdrucken konnten) verdanken wir einen interessanten Beitrag über die Unterschiede im Krankheitsverlauf zwischen männlichen und weiblichen Patienten mit einer axialen Spondyloarthritis.
Insgesamt tendieren weibliche Patienten zu weniger knöchernen Veränderungen sowohl in den  Kreuzdarmbeingelenken als auch in der Wirbelsäule. Dies ist einer der Gründe, warum die Spondylitis ankylosans, die nach den modifizierten New-York-Kriterien durch deutliche Veränderungen im Röntgenbild der Kreuzdarmbeingelenke charakterisiert ist, bei Frauen seltener festgestellt wird als bei Männern. Es ist auch ein Grund, warum die Diagnose bei weiblichen Patienten im Mittel stärker verzögert gestellt wird und eine wirksame Therapie entsprechend später zum Tragen kommt.

Immunologische und hormonelle Grundlagen

Zwischen männlichen und weiblichen Patienten mit einer axialen Spondyloarthritis gibt es wesentliche Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Immunzellen im Blut. Auch von dem Zytokin (Botenstoff) Interleukin 17, das zusammen mit dem Zytokin TNF-alpha zur Knochenschädigung in entzündeten Bereichen beiträgt, haben männliche Patienten im Mittel eine höhere Konzentration im Blut als weiblichen Patienten.

 

 

Geschlechtsunterschiede in der Krankheitsausprägung

Wie im Bild 1 und in Tabelle 1 zu sehen ist, gibt es in der Krankheitsausprägung wesentliche Geschlechtsunterschiede. Während die knöchernen Veränderungen in der Wirbelsäule und den Kreuzdarmbeingelenken bei weiblichen Patienten im allgemeinen weniger ausgeprägt sind, gibt es andere Krankheitserscheinungen, die bei weiblichen Patienten häufiger sind als bei männlichen Patienten.

In mehreren Studien war die mit dem BASDAI  beurteilte Krankheitsaktivität bei weiblichen Patienten im Mittel höher als bei männlichen Patienten, und auch das vom Patienten beurteilte allgemeine Wohlbefinden (BAS-G) und der Entzündungs-Laborwert CRP war bei weiblichen Patienten im Mittel höher.
Auch Begleit-Erkrankungen wie die Psoriasis (Schuppenflechte), Daktylitis (Wurstfinger, Wurstzehen), Enthesitis (Sehnenansatzentzündung) oder eine entzündliche Darmerkrankung sind bei weiblichen Patienten häufiger als bei männlichen Patienten, während in der Häufigkeit einer Uveitis (Regenbogenhaut-Entzündung) kein Geschlechtsunterschied gefunden wurde.

Auswirkung auf die Lebensqualität

Die mit diversen Fragebögen erfasste Lebensqualität ist im Allgemeinen bei weiblichen Patienten mit einer axialen Spondyloarthritis schlechter als bei männlichen Patienten. Müdigkeit, Erschöpfung und die mit dem BASFI beurteilte Behinderung bei Alltagsverrichtungen sind trotz der im allgemeinen besseren Beweglichkeit bei weiblichen Patienten im Mittel stärker ausgeprägt.
Auch Ängste und Depressionen scheinen bei weiblichen Spondylitis ankylosans-Patienten häufiger zu sein. Nach den Ergebnissen einer amerikanischen Studie wird bei ihnen häufiger vor der Diagnose Spondylitis ankylosans eine psychosomatische Krankheit diagnostiziert. Dies trägt sicher mit dazu bei, dass die Diagnoseverzögerung bei weiblichen Patienten im Mittel länger ist als bei männlichen Patienten und dass die Krankheit bei weiblichen Patienten häufiger überhaupt nicht erkannt wird. Die längere Diagnoseverzögerung wiederum führt dazu, dass die Krankheit erst mit stärkerer Verzögerung adäquat behandelt wird und entsprechend ungünstiger verläuft. Zur längeren Diagnoseverzögerung trägt auch bei, dass die Schmerzen bei weiblichen Patienten häufig als weit verteilte Schmerzen  auftreten.

 

Tabelle 1: Geschlechtsunterschiede in der mit der axialen Spondyloarthritis verbundenen Krankheitslast

 

 

Krankheitserscheinungen

bei weiblichen Patienten

bei männlichen Patienten

 

 

Fortschreiten der Wirbelsäulenversteifung

 
  • Fortschreiten der Halswirbelsäulenversteifung häufiger.
  • Tendenz zu mehr körperlicher Behinderung.
 
 
  • Rasches Voranschreiten der knöchernen Wirbelsäulenversteifung wahrscheinlicher.
  • Syndesmophyten-Bildung wahrscheinlicher.
  • Eingeschränkte Brustkorbdehnung und größerer Kopf-Wand-Abstand häufiger
 

 

 

Veränderungen im Röntgenbild der Kreuzdarmbeingelenke

 

 
  • Voranschreiten der Veränderungen im Röntgenbild der Kreuzdarmbeingelenke wahrscheinlicher.
 

 

 

Kreuzschmerzen

 

 
  • Entzündliche Kreuzschmerzen häufiger das erste Krankheitssymptom.
 

 

 

Sehnenansatzentzündung und periphere Gelenkentzündung

 
  • Tendieren stärker zu Sehnenansatzentzündungen
  • Daktylitis (Wurstfinger, Wurstzehen) häufiger
 

 

 

 

Weitverteilte periphere Schmerzen

 
  • Becken-, Fersen- oder weitverteilte Schmerzen häufiger
  • Weitverteilte Schmerzen verdoppeln die Diagnoseverzögerung.
 

 

 

 

Beschwerden außerhalb des Bewegungsapparats

 
  • Eine entzündliche Darmbeteiligung ist bei weiblichen Patienten häufiger.
  • Eine Psoriasis als Begleiterkrankung ist bei weiblichen Patienten häufiger.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fibromyalgie

Die Fibromyalgie  – charakterisiert durch weit verteilte Schmerzen, Schmerzempfindlichkeit in „Tender-Punkten“, Reizdarmsyndrom, Schlaf- und Gemütsstörungen und weitere Beschwerden – ist bei Frauen häufiger als bei Männern. Weil einige der hauptsächlich bei Frauen mit einer axialen Spondyloarthritis auftretenden peripheren Beschwerden auch bei der Fibromyalgie vorkommen, wird häufig statt der Diagnose axiale Spondyloarthritis zunächst die (Fehl-)Diagnose Fibromyalgie gestellt – ein weiterer Grund für die längere Diagnoseverzögerung bei weiblichen Patienten. Die Fibromyalgie stellt somit ein wesentliches Hindernis für eine rasche und sichere Diagnose der axialen Spondyloarthritis bei Frauen dar.
Die Fibromyalgie ist andererseits oft eine Begleit-Erkrankung zur axialen Spondyloarthritis: 4% bis 25% der Patienten mit einer axialen Spondyloarthritis, hauptsächlich Frauen, haben zusätzlich eine Fibromyalgie.

Unterschiede auch in der Therapie

In vielen Studien zeigte sich, dass die Spondyloarthritis bei Frauen weniger gut auf eine Behandlung mit einem TNF-alpha-Blocker anspricht und dass Frauen deshalb eine solche Therapie auch weniger lang beibehalten.
Da mindestens die Hälfte der Frauen mit einer axialen Spondyloarthritis nicht die modifizierten New-York-Kriterien erfüllt und somit eine nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis hat, ist dieser Krankheitsform bei weiblichen Patienten besonderes Augenmerk zu schenken.
In einer in der Schweiz durchgeführten Studie betrug die ASAS40-Ansprechrate bei männlichen Spondylitis-ankylosans-Patienten 38% und bei männlichen Patienten mit einer nicht-röntgenologischen axialen Spondyloarthritis 45%, während sie bei weiblichen Spondylitis-ankylosans-Patienten 42% und bei weiblichen Patienten mit einer nicht-röntgenologischen axialen Spondyloarthritis nur 17% betrug. Es ist also speziell die nicht-röntgenologische axiale Spondyloarthritis bei weiblichen Patienten, die auf die Anti-TNF-Therapie so schlecht anspricht. Dabei wurden Patienten mit einer Fibromyalgie als Begleiterkrankung von dieser Studie vorsichtshalber ausgeschlossen.
Als Erklärung für das schlechtere Ansprechen kommt in Frage, dass periphere Sehnenansatzentzündungen, die bei weiblichen Patienten häufig im Vordergrund stehen, auf die Anti-TNF-Therapie weniger gut ansprechen.

Schlussfolgerungen

Weil die axiale Spondyloarthritis bei weiblichen Patienten anders verläuft und im Mittel langsamer zur Spondylitis ankylosans fortschreitet, wird sie bei weiblichen Patienten im Mittel später diagnostiziert und später wirksam behandelt, was den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst. Die Krankheitslast ist bei der nicht-röntgenologischen axialen Spondyloarthritis und bei der Spondylitis ankylosans ähnlich. Obwohl die knöchernen Veränderungen bei Frauen langsamer fortschreiten, ist die Krankheitslast bei Frauen insgesamt im Mittel größer. Das Bewusstsein der Unterschiede im Verlauf und die Erforschung der physiologischen Hintergründe für diese Unterschiede führt hoffentlich zu einer früheren Diagnose und einem günstigeren Krankheitsverlauf bei weiblichen Patienten mit einer axialen Spondyloarthritis.

 

Deutsches Ärzteblatt online 07. Juli 2021

Bielefeld – Die große Mehrzahl der laufenden klinischen SARS-CoV-2- und COVID-19-Studien bezieht Geschlechtsunterschiede bei den Studienteilnehmern zu wenig oder gar nicht ein. Das berichtet ein inter­nationales Forscherteam der Universität Bielefeld, des Radboud University Medical Center sowie der Universitäten Aarhus und Kopenhagen in der Fachzeitschrift Nature Communications. Die Forscherinnen und Forscher werteten dafür in einer Metaanalyse fast 4.500 klinischen Studien aus.

„Frauen und Männer sind von einer Coronaerkrankung unterschiedlich betroffen“, betont das Wissen­schaftlerteam. So seien bei Männern schwere Krankheitsverläufe häufiger, sie müssten häufiger stationär betreut werden und stürben häufiger an der Erkrankung. Außerdem bestehe ein Zusammenhang zwischen der sozialen Geschlechterrolle und der Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus anzustecken.

Dementsprechend steige das Ansteckungsrisiko von Frauen, weil sie häufiger als Pflegekräfte tätig seien und in Berufen mit viel Kundenkontakt arbeiteten. „Das zeigt: Gender und Geschlecht müssen in klini­schen Studien und in der Gesundheitspolitik berücksichtigt werden“, sagt die Letztautorin der Studie, Sabine Oertelt-Prigione von der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe an der Universität Bielefeld.

Vollständigen Text im Deutschen Ärzteblatt online

Deutsches Ärzteblatt online 12. März 2021

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) untersuchen geschlechtsspezifische Einflüsse auf Immunkrankheiten, Infektionen und Tumoren. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorha­ben der Forschungsgruppe „Geschlechtsspezifische Unterschiede in Immunantworten“ mit 4,5 Millionen Euro.

Die systematische Einbeziehung geschlechtsspezifischer Faktoren könnte künftig einen wichtigen Bei­trag für neue Behandlungsstrate­gien von Infektionen und immunvermittelten Erkrankungen leisten.

Laut den Wissenschaftlern ist bereits bekannt, dass Frauen und Männer sich in ihren Immunantworten unterscheiden: Frauen entwickelten beispielsweise eine bessere Abwehr gegen Krankheitserreger, die zu einer schnelleren Bekämpfung von Infektionen führen könne.

Ebenso entwickelten sie eine stärkere Immunantwort nach Impfungen als Männer und zeigten deutliche­re Immunreaktionen gegen einige bösartige Tumorarten.

Vollständigen Text im Deutschen Ärzteblatt online

Deutsches Ärzteblatt online 06. Juli 2021

Coronaimpfungen für stillende Frauen mit mRNA-Impfstoffen sind nach Einschät­zung von US-Experten in Hinblick auf die Muttermilch unproblematisch. Wegen der Immunisierung soll­ten Mütter nicht aufhören zu stillen, schreibt ein Team um Stephanie Gaw von der University of California San Francisco im Fachblatt JAMA Pediatrics.

In 13 untersuchten Muttermilchproben von sieben geimpften Frauen sei keine mRNA aus dem Impfstoff nachweisbar gewe­sen. 5 Probandinnen hatten den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer und zwei den von Moderna erhalten. Die untersuchten Proben wurden vor der Impfung sowie zwischen vier und 48 Stun­den danach entnom­m­­en.

Die Ergebnisse seien wichtige frühe Hinweise, dass die mRNA aus den Impfstoffen nicht auf den Säug­ling übertragen werde, schreibt das Autorenteam. Es weist als Einschränkung jedoch auf die geringe Zahl an Studienteilnehmerinnen hin.

Vollständigen Text im Deutschen Ärzteblatt online

Deutsches Ärzteblatt 21. Juli 2021

Die Zurückhaltung vieler Schwangerer gegenüber einer Grippeimpfung, mit der sie sich und ihr Kind vor den Komplikationen einer Influenza schützen können, hat kanadische Pädiater veranlasst, nach möglichen Auswirkungen der Impfung auf die Entwicklung der Kinder in den ersten Lebensjahren zu suchen. Die Ergebnisse ihrer bevölkerungsweiten Studie wurden im amerikanischen Ärzteblatt veröffentlicht.

Die Welt­gesund­heits­organi­sation rät seit 2012, Schwangere bei der jährlichen Grippeimpfung zu priorisieren. Der Grund ist nicht nur das erhöhte Komplikationsrisiko, das sich beispielsweise in einer fast 7-fach erhöhten Rate von Hospitalisierungen (Krankenhauseinweisungen) im Fall einer Grippe zeigt. Die Mütter schützen durch die Antikörper, die die Impfung erzeugt, auch ihre Kinder vor der Geburt und in den ersten Monaten danach, wenn die Säuglingen noch nicht geimpft werden können.

Die Analyse zu 28.255 Kindern in Kanada ergab, dass die Impfung keinen Einfluss auf immunologische Erkran­kungen wie Asthma in den ersten 2,0 bis 5,5 Lebensjahren der Kinder hatten. Auch eine Otitis media (Mittelohrentzündung) oder andere Infektionen traten nicht häufiger auf. Erkrankungen ohne Beteiligung des Immunsystems wie Krebserkrankungen oder Hör- oder Sehbeeinträchtigungen waren in beiden Gruppen ebenfalls gleich häufig. Die Kinder von Müttern, die sich in der Schwangerschaft impfen ließen, mussten auch nicht öfter wegen Notfällen oder im Krankenhaus behandelt werden.

Die Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen aus Skandinavien, wo registerübergreifende Untersuchungen ebenfalls leicht möglich sind. Eine Studie aus Dänemark hatte nach der Impfung von Schwangeren gegen die Influenza A (H1N1) die sogenannte „Schweinegrippe“ keinen Anstieg von Asthmaerkrankungen bei den Kindern gefunden. In Schweden war nach dieser umstrittenen Impfung auch der befürchtete Anstieg von Autismuserkrankungen ausgeblieben . © rme/aerzteblatt.de